Beschwerde gegen die Verbauung der Venediger Au bei der Volksanwaltschaft

Volksanwaltschaft

Singerstraße 17, Postfach 20

1015 Wien

BESCHWERDE

Betreff: Mögliche rechtswidrige Baubewilligung nach § 71 BO für Wien

Betroffene Behörde: Stadt Wien – MA 37 – Baupolizei

Nach medialer Ankündigung haben mittlerweile die Bauarbeiten zur Errichtung einer Sport- und Funhalle auf dem Gelände der Jugendsportanlage Venediger Au begonnen. Diese geplante Halle soll laut den Medienberichten dauerhaft errichtet werden, fundamentiert sein und über mehrere Stockwerke verfügen.

Der offensichtliche Bauplatz ist laut geltendem Flächenwidmungsplan PD6538 (Beschluss im Wiener Gemeinderat vom 23.5.2003, Kundmachung 5.6.2003) im Text zum Plandokument durch die Besonderen Bestimmungen BB1 und BB2 folgendermaßen beschränkt:

„4.1. Auf der mit BB1 bezeichneten und als Grünland/Erholungsgebiet/Sport- und Spielplatz gewidmeten Grundfläche dürfen keine Gebäude errichtet werden.
4.2. Auf den mit BB2 bezeichneten Grundflächen dürfen Gebäude bis zu einer maximalen Gebäudehöhe von 5,5 m errichtet werden; der höchste Punkt des Daches darf nicht mehr als 2,0 m über der tatsächlich ausgeführten Gebäudehöhe liegen.“

Mehrere Expert:innen wurden nach Bekanntwerden der Pläne zu diesem Bauprojekt zitiert, dass aufgrund der geltenden Rechtslage ohne Widmungsänderung eine Verbauung dieses Grundstückes rechtswidrig erfolgen würde. Die Tageszeitung „Die Presse“ zitiert am 14.5.2022 in ihrem Artikel „Bauen ohne Widmung: Wie geht das?“ die Wiener Baupolizei, dass Bauen ohne eine entsprechende Widmung in besonderen Fällen möglich wäre, „wenn es bereits eine Umwidmungsabsicht gibt“. Weiterhin wäre klar, dass das Gebäude wieder abgetragen werden müsse, wenn die Umwidmung später nicht erfolge. Die Wiener Infrastruktur Projekt GmbH erklärte der Presse gegenüber, dass das Projekt als temporärer Bau eingereicht und eine Widmungsänderung beantragt würde; auf eine Umwidmung könne aus Zeitgründen nicht gewartet werden.

Für eine Einbringung als „temporärer Bau“ kommt in baurechtlicher Hinsicht nur eine Baubewilligung gem. § 71 Bauordnung für Wien in Frage: „Bewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes“. Zu § 71 BO existiert umfangreiche Judikatur, welche sich zwar fortentwickelt, aber im Grund eine konstante Aussage wiederholt: Temporäre Bauten sind nur unter gewissen Voraussetzungen und bis auf Widerruf oder befristet zu bewilligen, so auch in jüngerer VwGH 27.6.2017 Ra 2017/05/0022:

„Für ein auf Dauer angelegtes Bauvorhaben kommt die Erteilung einer Baubewilligung auf Widerruf nicht in Betracht, weil bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage ein Widerruf nicht sachgerecht wäre (Hinweis E vom 24. Juni 2009, 2008/05/0240, mwN).“

Es stellt sich sohin die Frage, ob eine (rechtskräftige) Baubewilligung für die Errichtung der Sport- und Funhallte auf dem Gelände der Jugendsportanlage Venediger Au besteht und wenn ja, nach welcher Bestimmung der §§ 70 ff BO für Wien die Bauführung bewilligt wurde. Sofern eine Bewilligung nach § 71 BO für Wien – Bewilligung für Bauten vorübergehenden Bestandes – vorliegt, wie den medialen Berichten und Aussagen der Wiener Infrastruktur Projekt GmbH zu entnehmen ist, widerspricht dies wohl der ständigen Judikatur des VwGH und könnte eine rechtswidrige Umgehung der besonderen Bestimmungen BB1 und BB2 vorliegen.

Die Möglichkeit, einen allfälligen Bewilligungsbescheid einzusehen bzw. mittels Rechtsmittel gegen diesen vorzugehen, besteht im gegenständlichen Fall auf Grund fehlender Parteistellung nicht. § 134 BO für Wien normiert unter dem Titel „Parteien“ die Voraussetzungen, unter denen Nachbar:innen im Bauverfahren Partei- oder Beteiligtenstellung erlangen können.

§ 134 Abs 3 letzter Satz BO für Wien normiert: „Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.“

Ein weitgehendes Recht, sich am Baubewilligungsverfahren als Nachbar:in beteiligen zu können, besteht nach dieser Bestimmung also nur im Bauland. In allen anderen Widmungsgebieten sind nur die Nachbar:innen, deren Liegenschaften höchstens 20m vom geplanten Bauwerk entfernt liegen, zur Teilnahme am Behördenverfahren berechtigt. Dies erscheint insofern gerechtfertigt, da im Grünland, in Parkschutzgebieten oder auch auf als Sport- und Spielplatz gewidmeten Flächen gemeinhin keine größeren Bauführungen zu erwarten sind, schon gar nicht dann, wenn die diesbezügliche Flächenwidmung eine Bauführung dezidiert ausschließt.

Wird dann aber dort – widmungswidrig – gebaut, so bleiben den Nachbar:innen ihre Beteiligungsrechte per Gesetz sinnwidrig versagt. Die von der Stadt Wien gewählte Vorgehensweise diente also wohl auch dem Ausschluss von normalerweise zustehenden Nachbarrechten.

Ich ersuche sohin die Volksanwaltschaft um Überprüfung des angeführten Sachverhaltes auf ein etwaiges rechtswidriges Vorgehen der betroffenen Behörde.

Mag. Bernhard Seitz, MBA

Bernhard Seitz bei der Demo gegen den Verbau der Venediger Au am 22. August 2022